9. Nov. 1938 – Pogrom K i e l

Zum Gedenken 09. Nov. 2020

Voller Scham und Trauer bleibt die Erinnerung an den 9. November 1938, als die meisten Synagogen und zahlreiche jüdische Geschäfte und Wohnungen zerstört und Juden verhaftet, bedroht und /oder ermordet wurden.

Mahnmal am Ort der einstigen Synagoge

Antisemitismus gehörte zum wesentlichen Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie. Das Judentum wurde als feindlich und minderwertig diffamiert: Juden vollbrächten keine aufbauende Leistung, sie würden nur zerstören. Juden seien die Drahtzieher von Demokratie, Weltkapitalismus und Marxismus. Ihr Ziel sei die Weltherrschaft, wobei sie sich der verschiedensten Mittel bedienen würden, z. B. der Unterwerfung von Kultur und Presse oder der Anzettelung von Kriegen und Revolutionen. Die Nationalsozialisten verbreiteten ihre heftige antijüdische Propaganda schon in den 1920er Jahren und bereiteten so Hitlers erklärtes Ziel der Vernichtung des europäischen Judentums vor.

Gedenktafel: Jüdische Gemeinschaft Goethestraße Kiel

In Kiel gab es nur eine kleine jüdische Gemeinde mit etwas über 600 Mitgliedern und sie verfügte über ein reiches Gemeinde- und Vereinsleben mit Synagoge, Betstuben, Friedhof, Religionsschule, rituellem Bad, Religionslehrern und Rabbiner. Menschen, die schon lange in Deutschland lebten und sich vollständig assimiliert hatten. Zu ihnen gehörten vor allem selbständige Kaufleute, aber auch Ärzte und Rechtsanwälte und unter den Jüngeren Angestellte, Handwerker und Facharbeiter.

Mit Benzinkanistern gegen 3 Uhr morgens versammelten sich in Kiel auf dem „Adolf-Hitler-Platz“ (heute: Rathausplatz) SA- und SS-Männer und Parteimitglieder. Wer noch in Uniform war, erhielt im Rathaus zur Tarnung Bürojacken. Dann ging es auf Lastwagen zur Synagoge in der Goethestraße/ Ecke Humboldtstraße. Im Inneren wurden Tische und Stühle zertrümmert und Scheiben eingeschlagen. Dann wurde mit Benzin und Sprengstoff Feuer gelegt. Der Feuerwehr wurde das Löschen verboten. Erst nach der Detonation wurde der Feuerwehr gestattet, den Brand zu bekämpfen. Im Brandbericht der Feuerwehr stand dann, wider besseres Wissen: „Mutmaßliche Entstehungsursache der Brände durch: unbekannte Ursachen.“ Gleichzeitig mit der Zerstörung der Synagoge wurden zahlreiche jüdische Geschäfte und Wohnungen demoliert. Mindestens elf Geschäfte und eine unbekannte Zahl von Wohnungen wurden in dieser Nacht in Kiel demoliert und 58 jüdische Bürger im Alter von 17 bis 72 Jahren verhaftet.

Am Morgen des 10. November lagen die Reste des jüdischen Gemeindelebens in Trümmern.  Die Innenräume der Synagoge waren zerstört, die Bibliothek und alle Kultgegenstände vernichtet oder gestohlen. Juden in Kiel hatten damit ihr religiöses, kulturelles und Gemeindezentrum verloren.

Durch die Reichspogromnacht 1938 und die Deportationen seit 1941 wurde die jüdisches Leben in Kiel zerstört. 1967/68 ließen die Stadtwerke auf dem ehemaligen Grundstück der Synagoge ein Wohnhaus für ihre Beschäftigten errichten. 1968, zum 30. Jahrestag des Pogroms, wurde am Eingang des Hauses folgende Gedenktafel angebracht: „Hier stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde in Kiel, die in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft durch einen Willkürakt am 9. November 1938 zerstört wurde“. Um die Gedenkstätte würdiger zu gestalten, wurde in Übereinstimmung der Stadt Kiel, der Stadtwerke und der Jüdischen Gemeinde Hamburg am 24. Mai 1989 ein Mahnmal vor dem Wohnhaus in der Goethestraße feierlich eingeweiht. In eindrucksvoller Gestaltung wird die Zerstörung der jüdischen Kultur und Gemeinde dargestellt: „Der zerrissene Thoravorhang, der gekippte Tisch und der herabstürzende Chanukka-Leuchter weisen symbolisch auf die Schändung des Heiligtums hin“ Alljährlich finden am 9. November Gedenkfeiern, ehemals vor der Gedenktafel, jetzt vor dem Mahnmal statt.

Matthäus Weiß mit seiner Frau Anna

Wie in jedem Jahr nehmen Mitglieder des Vorstandes des Verband Deutscher Sinti und Roma e.V., Landesverband Schleswig -Holstein mit einer Kranzniederlegung und Andacht teil. Auch diesmal ließ Matthäus Weiß mit seiner Frau Anna sich nicht nehmen, an der stillen Gedenkveranstaltung teilzunehmen.