Wir über uns

Zur nationalen Minderheit der Sinti und Roma in Deutschland zählen schätzungsweise 70.000 Menschen. Der Verband Deutscher Sinti und Roma e. V. – Landesverband Schleswig-Holstein schätzt die Zahl der Sinti und Roma mit deutscher Staatsangehörigkeit in Schleswig-Holstein auf etwa 6.000 Menschen. Wohnschwerpunkte bilden die großen Städte Kiel und Lübeck sowie das Hamburger Randgebiet. Ihre erste urkundliche Erwähnung in Schleswig-Holstein ist aus dem Jahre 1417 in Lübeck überliefert. Die Sinti und Roma deutscher Staatsangehörigkeit gehören in Deutschland zu den vier vom Rahmenübereinkommen des Europarats geschützten Minderheiten.

Die Sprache – das Romanes – gehört zu den nach der Sprachencharta geschützten Minderheitensprachen. Romanes nimmt unter den Minderheitensprachen eine Sonderstellung ein und wird weder in der Schule unterrichtet, noch ist es Studienfach an den Hochschulen. In Schleswig-Holstein wird Romanes daher wie in den anderen Ländern nach Teil II der Sprachencharta geschützt. Träger der politischen und kulturellen Arbeit in Schleswig-Holstein ist der Verband Deutscher Sinti und Roma e. V., Landesverband Schleswig-Holstein. Seit seiner Gründung im August 1989 gehörte der Landesverband dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg an, den er Mitte 2006 verließ, um nunmehr unabhängig arbeiten zu können. Seit dem 19. Oktober 2015 gehört der Landesverband dem Zentral wieder als vollwertiges Mitglied an. Seit 1990 unterhält der Landesverband eine Geschäfts- und Beratungsstelle. 2006 wurde die Geschäftsstelle nach Kiel-Elmschenhagen verlegt. Die Landesregierung fördert die Arbeit der Geschäfts- und Beratungsstelle seit 1990 institutionell. Etwa die Hälfte der Mittel ist zweckgebunden für die Betreuung von Sinti- und Roma-Kindern durch den Einsatz von Erziehungshelferinnen an Kieler Schulen.

Ein wichtiges politische Ziel des Landesverbandes war die Aufnahme der Sinti und Roma in Artikel 5 Abs. 2 der Landesverfassung in Form einer namentlichen Erwähnung. Der Landesverband betrachtete dieses als notwendige Gleichstellung mit den anderen in Schleswig-Holstein nach dem Rahmenübereinkommen des Europarats anerkannten Minderheiten in Schleswig-Holstein, der dänischen Minderheit und der friesischen Volksgruppe. Entsprechende Versuche zur Änderung des Minderheitenartikels scheiterten 22 Jahre an der fehlenden Zweidrittelmehrheit im Parlament. Am 14. November 2012 wurde in der Plenarsitzung des Landtages Schleswig-Holstein im sechsten Anlauf einstimmig der Beschluss über die Änderung gefasst. In Artikel 5 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein heißt es nun: „Die nationale dänische Minderheit, die Minderheit der deutschen Sinti und Roma und die friesische Volksgruppe haben Anspruch auf Schutz und Förderung.“

Am 16. Mai jeden Jahres gedenkt der Landesverband der Verschleppung der schleswig-holsteinischen Sinti und Roma am 16. Mai 1940 mit einer kleinen Gedenkfeier im Kieler Hiroshima-Park. Vertreter des Landtages und der Stadt Kiel sowie die Minderheitenbeauftragte nehmen daran teil. Zur Arbeit des Landesverbandes gehörte auch, ehemalige Zwangsarbeiter aus der Minderheit der Sinti und Roma bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Entschädigung aus dem Fonds der 1998 ins Leben gerufenen Stiftungsinitiative „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zu unterstützen. In fast vierzig Fällen konnte der Landesverband helfen. Erst 2006 wurde die letzte Akte geschlossen.

Der Landesverband betreibt seit 1995 ein Projekt zur Betreuung von Kindern von Sinti und Roma durch Einsatz von Erziehungshelferinnen (Mediatorinnen) an Kieler Schulen. Derzeit arbeiten zwölf Bildungsberater, drei Mediatorinnen und eine sozialpädagogische Assistentin in der Betreuungsmaßnahme. Die Mediatorinnen werden durch den Landesverband bezahlt. Ziel des Projekts ist es, die Bildungschancen der Kinder durch verschiedener Tätigkeiten zu erhöhen, wie die Begleitung der Kinder im Unterricht, Hausaufgabenhilfe, Beratung der Lehrkräfte, Kontaktpflege zu den umliegenden KITAs im Sinne der Prävention, Beratung der Eltern bzw. Mütterarbeit. Die Arbeit wird von den Sintifrauen unter der Leitung der Schulleiterin der Matthias-Claudius-Schule selbstständig geführt und nach Bedarf auch weiterentwickelt. Versuche, ein vergleichbares Projekt auch an anderen Standorten zu gründen, sind bisher leider gescheitert. Für beispielhafte Integrationsarbeit wurde das Mediatorinnen-Projekt am 15. Mai 2006 mit dem „Otto-Pankok-Preis“ in Anwesenheit von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und seinem Kollegen aus Rheinland-Pfalz, Ministerpräsident Kurt Beck, ausgezeichnet. Der Preis wurde von der „Stiftung zugunsten des Romavolkes“ verliehen.

Im Rahmen seiner Jugendarbeit bietet der Landesverband verschiedene Freizeitangebote in der Muttersprache Romanes an. Hierzu gehören Gitarrenunterricht im klassischen Sinti-Jazz, Jazz-Dance für Mädchen und Frauen, Gesprächs- und Bastelkreise für Kinder und Jugendliche. Hinzu kommen Ausflüge und der Besuch des Weihnachtsmärchens für die Kleinsten. An den Schleswig-Holstein-Tagen beteiligt sich der Landesverband gemeinsam mit den anderen Minderheiten. Gute Kontakte bestehen zu der von Günter Grass und seiner Frau Ute 1997 gegründeten Stiftung zugunsten des Romavolkes.

Ein Initiativkreis des Landesverbandes startete im März 2001 ein Selbsthilfeprojekt zur Gründung einer Genossenschaft als Trägerin für kleinteilige, am Bedarf der Sinti ausgerichtete, Wohnprojekte. Ziel war es, mit einer in Selbsthilfe gegründeten Wohnungsgenossenschaft kleine Nachbarschaften aufzubauen, in denen es gelingen soll, sich gegenseitig nachbarschaftlich im Alltag und in Wahrung der Kultur und Sprache zu unterstützen und vor allem die traditionellen Familienverbände wieder zusammenzuführen, ohne sich dabei von der Umgebung abzusondern. Die Landeshauptstadt Kiel bot für die Umsetzung ein 10.000 Quadratmeter großes Erbpachtgrundstück in der Diedrichstraße an der Peripherie des Stadtteils Gaarden an. Das Wohnprojekt „Maro Temm“ konnte letztlich durch solidarische Spenden, vielfältige Unterstützungen aus dem schleswig-holsteinischen Innenministerium und aus der Bevölkerung, insbesondere der übrigen Minderheiten der Friesen und Dänen, die Wankendorfer Baugenossenschaft e.G. und durch die am Entwicklungsprozess beteiligen Familien der Sinti umgesetzt werden. Am 23. Mai 2007 konnte die Grundsteinlegung für 13 Reihenhäuser durch den Innenminister erfolgen. Der Erstbezug der Reihenhäuser erfolgte im Winter 2007/08. Das Modellprojekt, welches auf Integration, Nachbarschaft, soziale Stabilität und auf wachsende Qualifizierung und Selbstverantwortung setzt, hat inzwischen bundes- und europaweit Aufmerksamkeit erzeugt.